Montag, 16. Juni 2014

Familie ist gefährdet durch Mobilität und Flexibilität

Kreissynode berät, was Familien stärkt

 „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ – unter diesem Leitwort stand die Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises Leverkusen am 14.und 15.Juni 2014 in Rheindorf. Umfragen bestätigen, dass die meisten jungen Menschen ein Leben in Ehe und Familie wünschen. Gleichzeitig werden viele Ehen geschieden. „Was läuft schief?“ fragte Doris Sandbrink in ihrem Grundsatzreferat. Die pädagogische Studienleiterin des Evangelischen Erwachsenenbildungswerks Nordrhein lehnte moralische Urteile ab. Sie verstand Familie als eine auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Fürsorgegemeinschaft, die von Partnerschaftlichkeit und Verbindlichkeit geprägt ist. Familie wird man nicht durch Blutsbande, sondern dadurch, dass Menschen Familie als alltägliche Gestaltungsaufgabe annehmen: „Doing family“. Doris Sandbrink zeigte mit Hilfe einer Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu dem Thema, was Familien heute belastet: Flexibilität und Mobilität, aber auch Gerechtigkeitsdefizite zwischen Geschlechtern und verschiedenen Milieus. Sie machte eine „Care-Krise“ aus: die gesellschaftliche Unterbewertung von Haus- und Familienarbeit. Ganz ähnlich werden auch professionelle Dienste in Erziehung, Betreuung und Pflege unterbewertet. Den Gemeinden empfahl Doris Sandbrink, „familienkompetent“ zu werden und dies möglicherweise mit einem Gütesiegel zu dokumentieren. Die Ortsgemeinden könnten in ihren Quartieren die Themen Pflege, Bildung und Betreuung mit anderen Akteuren anpacken, etwa durch „Familienbeauftragte“.

 Vernetzung gegen Verunsicherung

Bei einem Podiumsgespräch, das der WZ-Redakteur Ekkehard Rüger moderierte, berichtete der Leverkusener Kinderarzt Dr. Jonas Kreth von einer tiefen Verunsicherung vieler Familien, mit denen er als Oberarzt im Klinikum und in seiner Arztpraxis zu tun habe: „Man kann in der Erziehung alles falsch machen“, so eine verbreitete Sorge. „Außerdem fehlen Oma und Opa“, also Menschen, die das Familienleben im Alltag unterstützen. Helga Voigt, Fachbereichsleiterin Soziales der Stadt Leverkusen nannte positive Beispiele, wie Familien effektiv geholfen wird: im Manforter Laden des Diakonischen Werkes bekommen Familien mit kleinen Kindern „Frühe Hilfen“, also Beratungsangebote, gerade auch für Familien mit Migrationshintergrund. Wichtig sei, die bestehenden Angebote den Familien genau dann anzubieten, wenn sie sie brauchen. Von dem Problem häuslicher Gewalt berichtete Iris Hemmeter von der Polizei Leichlingen. „Viele Familien haben zuwenig Bezugspersonen“, sagte die Hauptkommissarin, die viel Erfahrung mit Jugendschutz und Prävention hat. Ein soziales Netz von Verwandten und Freunden helfe bei Belastungen. Allerdings müsse man auch selbst anderen helfen, wenn man deren Unterstützung zuweilen benötigt. Superintendent Gert-René Loerken weiß aus der Arbeit vieler Gemeinden, dass „über 90 % der Arbeit in diesen Bereich fließt.“ Familien nutzen die Kindertagesstätten in den Gemeinden und nehmen das vielfältige gottesdienstliche und religionspädagogische Angebot wahr. Der Superintendent wünschte sich eine bessere Vernetzung der bestehenden Angebote. Konkret empfahl er den Gemeinden, die sogenannten Amtshandlungen (Taufen, Trauungen, Konfirmationen, Beerdigungen) als familienstützende Handlungsfelder zu begreifen und sie milieuorientiert zu gestalten. Von der ganz praktischen Arbeit mit Familien in den Eltern-Kind-Gruppen des Evangelischen Familienbildungswerkes Leverkusen berichtete Kursleiterin Miriam Sundermann: „Familien brauchen Entschleunigung“. Kinder bräuchten Erwachsene, die mit ihnen einmal in aller Ruhe Zeit verbringen. In den Kursen werde genau das eingeübt. Zum Sitztanz brachte Dorothea Partsch-Schröter die Synodalen. Die Kursleiterin im Bereich Seniorengymnastik und –tanz sprach von der Aufgeschlossenheit vieler älterer Menschen für ihre Kurse, in denen außer der Bewegung die Vernetzung wichtig sei. Andreas Pollak, Leiter des Evangelischen Familien- und Erwachsenenbildungswerks, bot den Gemeinden Hilfe an, Familienbildung als Teil des Gemeindelebens zu entwickeln. Seine Kursleiterinnen und Kursleiter könnten beitragen, „Menschen Fähigkeiten entwickeln, Verantwortung für andere zu übernehmen“.

 
Weitere Beratungsthemen:

Verwaltung, KiTas, Presbyteramt, Berichte, Visitation, Wahlen

 Wenige Tage vor der Synode war klar, dass der für Ende August geplante Umzug in das neue Verwaltungsgebäude in Burscheid möglicherweise nicht zu halten ist. Bestimmte technische Arbeiten verzögern sich. Noch im Juni soll sich genauer zeigen, ob das ursprüngliche Ziel zu schaffen ist oder ob die Büros erst ein, zwei oder drei Monate später fertig sind. Die Synode beschloss die Satzung für das Verwaltungsamt, regelte Finanzierungsfragen und bestimmte Dr. Thomas Hübner zum Vorsitzenden des Verwaltungsfachausschusses und Wolfgang Koch zum seinem Stellvertreter. Presbyter Peter Berger, Vorsitzender des Finanzausschusses, informierte die Synode über Mehrkosten beim Umbau des früheren Internats zu einem modernen Verwaltungsgebäude. Statt geplanter 4.597.000 € rechnet er jetzt mit 4.986.000 €. Er habe „keinerlei Bedenken“, weil die Mehrkosten wichtige Anliegen finanzieren, z.B. eine Schließanlage, eine neue EDV, eine Einrichtung zur Arbeitszeiterfassung und eine Telefonanlage. Die Synode stimmte dem Plan zu.

Über die Entwicklung des Kindertagesstätten-Verbunds konnte Diakoniepfarrer Hans Höroldt berichten. Die Anzahl der beteiligten Einrichtungen hat sich seit dem Bestehen auf acht verdoppelt. Kinder werden in 23 Gruppen betreut. Die Synode stimmte einigen Veränderungen in der Satzung zu. Zur Trägergemeinschaft gehören der Kirchenkreis, die Gemeinen Küppersteg-Bürrig, Opladen, Wiesdorf und neuerdings auch Witzhelden und Schlebusch.

 Die Synode richtet einen Antrag an die Landessynode, nach dem nicht wie bisher Presbyter mit 75 Jahren ihr Amt verlieren, sondern es noch bis zur nächsten Presbyteriumswahl innehaben dürfen. Im Hintergrund stehen die steigende Lebenserwartung und die gute Verfassung, in der sich viele Menschen über 75 Jahren befinden. Presbyterin Erika Wischmeyer-Elbert (Leichlingen) bezeichnete sich selbst als „Betroffene“, weil sie in Kürze 75 Jahre alt wird und ihr Presbyteramt aufgeben muss, ebenso die Mitgliedschaft in der Kreissynode. Sie verabschiedete sich mit Dankbarkeit und guten Wünschen, aber auch voller Zufriedenheit, dass die Synode sich für einen Verbleib auch über 75jähriger in Zukunft im Presbyterium einsetzt.

 Informativ und knapp berichteten die Gemeinden über aktuelle Entwicklungen der letzten zwei Jahre. Schwerpunkt aller Berichte war das Engagement für Familien, bei dem die Gemeinden viel Kreativität zeigen. Gottesdienstliche und seelsorgliche Angebote werden ergänzt durch Familienbildung und sinnvolle Freizeitgestaltung. Superintendent Loerken betonte: „Wir sollten verstärkt lernen, die Bedürfnisse der Familien in den Fokus zu rücken und weniger von den Erfordernissen unserer gewohnten Angebote auszugehen.“

 Landeskirchenrat Eckhard Langner grüßte die Synode von der Kirchenleitung und den Mitarbeitenden des Landeskirchenamtes. Er berichtete von Vorbereitungen der Visitation des Kirchenkreises Leverkusen durch die Kirchenleitung am 19. und 20. September 2014. Er hoffe auf intensive und bereichernde Gespräche und ermunterte dazu, auch Probleme anzusprechen.

 Die Kreissynode wählte Pfarrerin Dagmar Jetter (Opaden) als Synodalbeauftragte für Asyl-, Umsiedler und Flüchtlingsfragen. Andreas Pollak (Erwachsenenbildungswerk) und Pfarrer Bernd-Ekkehart Scholten (Küppersteg-Bürrig) als Synodalbeauftragte für Presbyterfortbildung.
 
 
Der Evangelische Kirchenkreis Leverkusen ist die Gemeinschaft von 13 Kirchengemeinden in den Städten Leverkusen, Leichlingen, Burscheid, Langenfeld und Monheim. Hier leben ca. 75.000 evangelische Gemeindemitglieder. Der Kirchenkreis besteht seit 1962 und gehört zur Evangelischen Kirche im Rheinland. Zu seinen Diensten gehört das Diakonische Werk mit der Psychologische Beratungsstelle, das Schulreferat, das Jugendwerk, das Familien- und Erwachsenenbildungswerk sowie Suchthilfe, Seelsorge und Religionsunterricht. Der Kirchenkreis wird geleitet von der Synode, die aus rund 100 Delegierten der Kirchengemeinden und weiteren berufenen Personen besteht und sich zweimal jährlich trifft. Neben Pfarrerinnen und Pfarrern wirken Presbyterinnen und Presbyter mit. Zwischen den Synodaltagungen leitet der Kreissynodalvorstand den Kirchenkreis. Superintendent Gert-René Loerken ist Vorsitzender und Sprecher von Kreissynode und Kreissynodalvorstand. Er ist Pfarrer in Leichlingen und seit 2004 Superintendent.